Warum führen weniger Frauen als Männer?

vor einiger Zeit war ich hier in unserem örtlichen Krankenhaus um jemanden abzuholen. Ich musste ein paar Minuten in der Lobby warten und dabei fiel mein Blick auf die Übersichtstafel


vor einiger Zeit war ich hier in unserem örtlichen Krankenhaus um jemanden abzuholen. Ich musste ein paar Minuten in der Lobby warten und dabei fiel mein Blick auf die Übersichtstafel der Abteilungen und der leitenden Ärzt:innen. Was ich sah, war aus meiner Sicht ernüchternd. Von fast 40 Abteilungen wurden nur drei Bereiche von Chefärtzinnen geführt, alle anderen Bereiche unterstanden einem Chefarzt, also einem Mann. Und das, obwohl auf Grund des anspruchvollen NC in Deutschland schon seit langem viel mehr Frauen als Männer Medizin studieren und dementsprechend viel mehr Ärtzinnen in das System kommen als Männer. Warum ist das so? Warum sind Frauen, die oft herausragend qualifiziert und genauso kompetent sind wie ihre männlichen Kollegen, als Führungskräfte nach wie vor unterrepräsentiert?


Karriere oder Familie


Ein Grund ist sicherlich der Klassiker: Frauen bekommen die Kinder. In einer durchschnittlichen Beziehung in Deutschland ist die Frau in der Regel etwas jünger als der Mann, startet daher später in den Beruf und verdient deswegen – und weil Frauen ohnehin ein ca. 20% geringeres Gehalt haben als Männer – weniger als ihr Partner. Bei der Entscheidung, wer die längere Erziehungszeit beantragt oder darüber hinaus mehr zu Hause bleibt ist das ein wichtiges Kriterium, manchmal DAS Kriterium. Wenige Paare befassen sich vor der Entscheidung für ein Kind ausführlich mit den Konsequenzen der verschiedenen Möglichkeiten und dann liegt das offensichtliche scheinbar auf der Hand: Die Frau bleibt zu Hause, zumindest vorübergehend. In manchen beruflichen Bereichen ist eine Pause sehr hinderlich für die Karriere, Teilzeit ein no go! Damit scheiden schon mal viele Frauen aus. Und damit komme ich direkt zum nächsten Grund:


Starre Systeme


Nach wie vor macht man in Deutschland Karriere, wenn man 50+ Stunden arbeitet. Flexibilität? Nein Danke! All die Studien, die belegen, dass Teilzeitbeschäftigte im Vergleich mehr leisten (was logisch ist, wer kann schon so viele Stunden gleichstark performen) ändern nichts an Strukturen. Immer noch ist die 40-Stunden-Woche das Maß aller Dinge. Für Frauen mit sozialen Verpflichtungen oft das Aus. Die Vorstellung, dass nur wer viel Zeit in den Job investiert viel bringt, dass man sich eine Führungsposition nicht teilen kann und dass Anwesenheit gleich Leistung ist, macht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und vor allem von Karriere und Familie unfassbar schwer. Von den starren Strukturen profitieren Menschen mit wenigen sozialen Verpflichtungen oder Menschen, deren soziale Verantwortung jemand mit übernimmt – und das sind oft Männer. Wenn Frauen sich beidem stellen, kommt es oft dazu:


Das Schlechte Gewissen


Unsere Gesellschaft ist wirklich großartig darin, Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen! Bleibst du bei den Kindern, bist du ein Hausmütterchen, gehst du Arbeiten, bist du eine Rabenmutter. Hat frau zu viele Kinder wird sie genauso komisch angesehen, als wenn frau sich gegen Kinder entscheidet. Kurz: frau kann es schlecht oder gar nicht recht machen. Auf meiner Coachingerfahrung weiß ich, dass viele berufstätige Mütter sich mit einem schlechten Gewissen herumschlagen. Sie haben das Gefühl, alles nur halb zu machen. Sind sie zu Hause, haben sie ein schlechtes Gewissen dem Arbeitgeber gegenüber. Sind sie arbeiten, haben sie Angst, ihre Kinder zu vernachlässigen. Eine Führungsposition würde das noch verschlimmern? Dann lieber nicht! Dass Führung zwar mehr Verantwortung, aber auch mehr Gestaltungsspielraum bedeutet und Strukturen sich nur ändern werden, wenn Führungskräfte sich ändern, haben viele nicht auf dem Schirm. Denn eines ist klar:


Unterschiedliche Vorstellungen von Führung


Frauen haben aus meiner Erfahrung oft eine ganz andere Vorstellung von Führung. Sie wollen mehr auf Augenhöhe arbeiten, eigenverantwortlich und kollegial kooperieren anstatt top down zu „herrschen“. Und mit dieser Einstellung sind sie in männerdominierten Bereichen dann eher allein. Das ist für viele Frauen verunsichernd. Darf ich anders führen? Und wie würde das überhaupt aussehen? Die wenigen weiblichen Roll-Models die Frauen haben, führen oft leider hierarchisch und patriarchal. Den eigenen Führungsstil zu entwickeln und diesen selbstbewusst umzusetzen ist eine Herausforderung! Eine Herausforderung, der sich viele Frauen nicht gewachsen sehen … allerdings auch eine Herausforderung, die für neue Strukturen unumgänglich ist und Türen für andere Frauen öffnen könnte! Und dann kommen wir zum nächsten Karrierkiller:


Fehlende Netzwerke


Frauen sind viel schlechter vernetzt! Das ist merkwürdig, denn im sozialen und privaten Bereich, sind es meistens Frauen, die Netzwerke zu Freunden und zur Familie aufrechterhalten. Im Beruf aber nicht. Warum? Zum Einen haben Frauen viel häufiger Mehrfachbelastungen als Männer und gehen nach der Arbeit schnell nach Hause. Das „Bierchen“ am Abend, das für informelle Information und Verbrüderung sorgt, fällt dadurch aus. Außerdem wird frau als Frau in männerdominierten Bereichen oft gar nicht zum „Bierchen“ eingeladen. Zum Anderen fühlen sich Frauen oft eher als Konkurrentinnen. Ein Mindset, dass wir unserer Geschichte der Vereinzelung und der Konkurrenz um Männer im Patriarchat verdanken und das durch ständige Vergleiche in den Medien etc. munter geschürt wird. Aber eines ist sicher: nur durch Kooperation wird sich etwas ändern. Und Mindsets lassen sich ändern. Aber wo wir schon beim Thema Mindset und Sozialisierung sind:


Frauen zweifeln mehr an sich als Männer


Natürlich kann man nicht grundsätzlich verallgemeinern, jedoch haben Frauen im Durchschnitt mehr Selbstzweifel und eine Frage über ihren Wert als Männer. Auch das kommt größtenteils aus unserer Sozialisierung im Patriarchat. Und das hat Konsequenzen! Hier schließt sich ein Kreis, denn diese Selbstzweifel erschweren nicht nur ein klares uns ausgerichtetes Auftreten und damit sich für sich und den persönlichen Führungsstil einzusetzen, sondern werden auch durch die offensichtliche Benachteiligung von Frauen bestärkt. Aber der Kreis ist auflösbar!


Gläserne Decke


Sicher habe ich hier nicht alle Aspekte aufgeführt, aber die Kombination dieser Punkte führt für Frauen zur „Gläsernen Decke“. Das heißt, irgendwann geht es nicht weiter nach oben, eine unsichtbare und unüberschreitbare Grenze. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass es fast ausschließlich Chefärzte (männlich) gibt. Ich finde, wir brauchen Frauen, die bereit sind, sich selbstbewusst den Herausforderungen zu stellen, ihren Führungsstil durchzuziehen und die Türen für Veränderungen aufmachen. Und genau dabei helfe ich gerne. Das ist meine Mission. Nicht gegen Männer, sondern für Egalität und Augenhöhe. Weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass es in einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwertig sind und gleich Chancen haben ALLEN besser geht.

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